17. Februar 2023:
AphorismUS über den Krieg
Wenn die Waffen schweigen würden,
hörten wir das Jammern und Klagen der Toten.
Es ist der Lärm von Bomben und Raketen,
die unsere Feigheit und unsere jämmerliche Natur übertönen soll.
12. Februar 2023 Aufsatz: Ökologisches Kapital
Die Zukunft scheint verbaut, weil die Anforderungen an eine angemessene Reaktion auf die Klimakatastrophe mit den Ansprüchen eines stetig ansteigenden Wachstum der Volkswirtschaften kollidieren. Dadurch, dass wir die Finanzsysteme der Unternehmen nicht mehr nach ihren tatsächlichen Leistungen bewerten, sondern nach ihrer Akzeptanz durch ihre Investitoren (Banken, Capital-Equity, private Investoren an den Börsen), schaffen wir diesen Wachstumszwang in den nationalen Volkswirtschaften. Unter diesen Voraussetzungen wird ein enormer politischer Druck auf die Regierenden und die Justiz aufgebaut, um klimaschädliche Entwicklungen voranzutreiben. Dies alles geschieht nur, weil es darum geht, im internationalen Wettbewerb die volkswirtschaftlichen Ziele im Sinne des Bruttoinlandsproduktes (BIP) voranzutreiben.
Es kann als definierter Malus betrachtet werden, die Ziele in der nationalen Volkswirtschaft an ein stätig wachsendes BIP zu koppeln. Die Volkswirtschaft, begrenzt auf nationale Ziele oder die Kombination in Wirtschaftsräumen (z.B. die EU), muss hingegen auch die Einhaltung von Maßnahmen und Zielen in der Erhaltung und Verbesserung der Ökologie mit in ihre Berechnungen eines „ökologischen Kapitals“ miteinbeziehen.
Das „ökologische Kapital“ muss gegen die Inlands- und Außenhandelsprodukte als Passivposten gegengerechnet werden. Darin müssen alle Flächen nach ihrer Fähigkeit der Absorbtion und Bindung von klimaschädlichen Produkten (Treibhausgase wie z.B. Methan und Kohlendioxyd) benannt werden. Dazu gehören Wasserflächen, Wiesen, Wälder, Moore und sonstige Grünflächen. Das bedeutet, dass z.B. die landwirtschaftlichen Betriebe, die mit dem ökonomischen Ziel der Nahrungsmittelproduktion oder der Grundstoffe zur Energiegewinnung befasst sind, gegen die Passiva des „ökologischen Kapitals“ als Aktiva gegengerechnet werden. Das betrifft bei landwirtschaftlichen Betrieben auch jede Form der Bodenbearbeitung (Eggen, Grubbern, Pflügen), weil dabei wiederum klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt werden. Industrielle Fertigungsbetriebe müssen Ausgleichsflächen zur Mehrung von „ökologischem Kapital“ schaffen und darin investieren. Es reicht nicht , dass durch Bebauung versiegelte Flächen mit Maßnahmen zur Energiegewinnung (nachträglich) aufgewertet werden. Maßnahmen zur Energiegewinnung müssen danach bewertet werden, wie groß ihr klimaschädlicher Fußabdruck ist (z.B. auch die Fertigung von Batterien, Solarmodule, Windkraftanlagen). Das betrifft dann jede Form von Kohleabbau, der dazu noch energie-intensiv ist), Öl- und Gasförderung, ihren Transport und ihre Umwandlung in thermische Energie. Bei den Wasser-, Sonnen- und Windkraft-Anlagen zur Energiegewinnung gibt es einen klimaschädlichen Fußabdruck, der nicht allein durch die Anschaffungs- und Herstellungskosten beziffert werden kann. Je erzeugtes Joule Energie oder Brennwert (z.B. für die Nahrungsmittelprodukte und ihre Herstellung) muss der klimaschädliche Aktivposten gegen den Passivposten des „ökologischen Kapitals“ gegengerechnet werden. Damit sind wir auch wissenschaftlich in der Lage, a) das Defizit an „ökologischen Kapital“ und b) der allzugroße Überhang an ökologisches Kapital als minderne Faktoren durch die Zielsetzung ökonomischen Wachstums zu beziffern, der die Ökologie einer Nation zerstört.
Fazit: Wir können über die Aktionen der „letzten Generation“ denken, was wir wollen, jedoch ist die Nichtberücksichtung des Fehlens der Passivposten durch das „ökologische Kapital“ eine äußerst heikle Angelegenheit, die uns tatsächlich zu einer der letzten Generationen auf diesem Planeten werden lassen. Die Milchmädchenrechnung, allein auf die Umstellung auf erneuerbare Energie zu setzen, reißt uns weiter ins ökologische Minus. Erst, wenn wir gleichzeitig die Berechnung von „ökologischem Kapital“ in die nationalen Volkswirtschaften einfließen lassen, werden wir es verstehen, dass der Überhang an bereits freigesetzter, umweltschädlicher Stoffe unser BIP in ein tiefes Minus reißen wird – und nur durch eine radikale Abkehr von der bisherigen Finanz- und Wirtschaftspolitik wieder eine Kapitalsteigerung des BIP zur Folge haben kann. Verbraucherprodukte sind deshalb so billig, weil sie über die internationalen Finanzmärkte subventioniert werden und die Produktionslöhne so niedrig sind. Auf Kosten der Ökologie unserer Nationen.
4. Feb. 2023 Warum ist das Kreativ-Training so wichtig?

Bei meiner täglichen Arbeit als Autor begegne ich immer wieder dem Problem, dass ich nicht weiß, wie ich weiter schreiben soll. Eine Situation, die andere Autor*innen genauso erleben. Was dabei hilft, sind meine ‚Fingerübungen‘. Ich versuche mich im Iterieren von Begriffen, wie Schnecke – Schneckenhaus – Haustür – Pforte – Himmelstor – Himmel voller Geigen – Streichquartett – Mendelson Bartholdy – usw. … erstens regt es die gedankliche Kombinatorik an, zweitens die Kreativität, über Gedankensprünge immer wieder einen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Da ich meine Manuskripte größtenteils mit altmodischem Füller, aber spitzer Feder schreibe, sind solche Fingerübung auch in der Kombination mit der manuellen Tätigkeit des Schreibens sehr hilfreich. Wer es versuchen möchte, wird schnell feststellen, wie schnell sie/er ihren Gedankenfaden wieder aufnehmen kann. Probieren geht über studieren.
Ihr Guy Sproessél
Schreiben gegen den Krieg…
Es steckt sehr viel geistige Arbeit in einem neuen Buch. Als Autor*in versucht man immer eine empathische Beziehung zu den Protagonist*innen zu haben. Und wenn das Genre, welches man zur Grundlage eines Buchs genommen hat, in einer Zeit spielt, die inniglich mit der Jetzt-Zeit verbunden ist, dann hat dies auch auf die Seele der Autor*innen einen direkten Einfluss. Ich schrieb in meinem ersten Buch über die vom NS-Regime während der Nazi-Zeit auf verbrecherische Weise enteigneten Gebäude und Grundstücke, die man dann großzügig auf die NS-Parteimitglieder aufgeteilt hatte. Auch wenn meine Romane in den neuen Bundesländern spielen, die in der alten Zeit zu Preußen, zu Mecklenburg, Pommern, Schlesien, Siebenbürgen und so weiter gehörten, dann von der 1949 gegründeten DDR neu aufgegliedert wurden (in politisch-geführte Bezirke, in denen die Partei [später die SED] das Sagen hatte), musste man erkennen, wie viel von dem Grund und Boden durch die Nationalsozialisten an NS-Günstlinge und NS-Parteibonzen weitergegeben wurde. Oft auf Auktionen, wo die Grundstücke, Häuser und Liegenschaften für einen Appel und Ei veräußert wurden. Also bemühte man sich, diese Klientel auf die Seite der Partei zu ziehen und ihnen dadurch Straffreiheit zu garantieren, in dem sie diese unrechtmäßige Besitztümer an die Partei abtreten, die nun ihrerseits diese Grundstücke, Liegenschaften und Gebäude an ihre Partei-Günstlinge weitergaben. Ich bin kurz nach meiner Geburt im schwäbischen Grötzingen in Stendal-Röxe die ersten drei Jahre in einem solchen Gebäude aufgewachsen. Gegenüber war die ausgebombte und ausgebrannte Ruine einer Maschinenfabrik, hinter dem Haus waren Lauben und Hütten, bewohnt von den vielen obdachlos gewordenen Stendalern, die ihre Häuser und Wohnungen durch die Bombenangriffe, aber auch durch die Enteignung durch die Nazis verloren hatten. Heute noch ist dort eine Gartenkolonie zu finden. Das Grundstück mit den zwei Stadtvillen (in der einen davon wuchs ich bei meinem Großvater väterlicher Seite und seiner TBC-kranken Frau auf, in der anderen Villa lebte der Bruder meines Großvaters mit seiner Familie) ist in den 2000’er Jahren eingeebnet worden. Ich habe es aus den Augen verloren. Aber irgendwann begann ich mich zu fragen, wie konnte es sein, dass in einer derartig desaströsen Wohnungsnot nach dem Krieg im Jahr 1955-1958 ein Postschaffner mit seiner kranken Frau in einer zufällig stehengebliebenen Stadtvilla wohnt, noch dazu auf einem riesigen Grundstück, das mit einer fast baugleichen Stadtvilla besetzt war, in dem sein Bruder mit seiner Familie lebte? Die Frage trieb mich um, und ich begann zu recherchieren. Ich war im Jahre 2009 das allererste Mal nach meiner „Republikflucht“ im Winter 1958/1959 über Salzwedel nach Volzendorf (einem kleinen Bauerndorf auf der anderen Seite des Zaunes gegenüber von Salzwedel) wieder in Stendal-Röxe in der Gardelegener Straße. Und ich überlegte, ob ich die Bewohner des Hauses ansprechen solle, die 50 Jahre nach meiner Flucht in den Westen in eben dieser Stadtvilla lebten. Ich hatte dort als kleines Kind eine der Klinkerkacheln an der Treppe mit einem herunterstürzenden Blumentopf zerbrochen, und 50 Jahre danach, war diese Kachel immer noch kaputt. Ich ließ von meinem Vorhaben ab und wusste, es hatte sich nichts geändert. Überhaupt nichts.
Natürlich geht es in meinen Romanen auch über Verbrechen, die aus fehlgeleiteter Leidenschaft begangen werden. So waren es Ressentiments über Generationen, die zu den wirren Geschehen im Roman „Zahlenrätsel“ geführt haben. Wieder waren Menschen in nationalistischen Wahn abgeglitten, den noch nicht einmal die 40 Jahre DDR haben verändern können. Junge Menschen werden einfach aus den Jugendwerkhöfen als „Arbeitslose“ ausgespuckt. Denn die Jugendwerkhöfe hatte sie als Lehrlinge, Gesellen und Angestellte geführt. Folglich waren sie nicht aus einer erzwungene Gefangenschaft entlassen worden, sie wurden einfach zu „Arbeitslose“ umdeklariert, weil das für das westliche System, welches die DDR einfach einkassiert und übernommen hatte, am bequemsten war.
Und so verstricken sich meine Protagonist*innen immer mehr in ihrer Realitäts-entfremdeten Gedankenwelt und kommen zwangsläufig auf die schiefe Bahn. Es werden Kinder von Erwachsenen ermordet, die von ihren (geistigen) Vätern mit Ressentiments gegen deren Großväter vollgestopft wurden. Und wer der Wahrheit zu nah gekommen sein könnte, wird vorsorglich umgebracht. Und so entsteht eine Situation, die mich wieder an das Heute erinnert hatte.
Mir lief es kalt den Rücken herunter, als ich im Rundfunk Beiträge über die gestohlenen Gebäude, Liegenschaften und Grundstücke hörte, die von den Nationalsozialisten und ihren Rechtsnachfolgern in Ost und in West unrechtmäßig übereignet wurden. Der §259 und §259a sagen es ganz deutlich, dass es für Hehlerware keine Verjährung gibt, auch nicht nach über 70 Jahren! Und somit bleiben all diese Besitztümer immer noch unrechtmäßig erworbenes Gut. Daran ändern auch die Verträge des Viermächteabkommens zur Souveränität der Bundesrepublik Deutschland von 1991 nichts.
So. Nun haben Sie einen kleinen Eindruck bekommen, wie ich auf meine Romanthemen komme. Auch „Opferbaum“ bezieht sich auf eine Beziehungstat im weitesten Sinne. Und wer meint, es wäre ziemlich abgefahren, was ich da zu Papier oder ins eBook bringe, dann muss ich meine Leser*innen enttäuschen. Wer sich die Mühe macht, wird alle drei Verbrechen, die in meinem neuesten Roman „Opferbaum“ beschrieben werden, in den verschiedensten Polizei- und Gerichtsakten wiederfinden.