Tolis‘ Revanche (3)

Kapitel 3

Als Lieutenant Reginald Tolis und Detective Hanson wieder ins Büro im Police Departement in Manassas zurückgekehrt waren, hatte man den Türsteher Elias Herbert schon in eine der beiden Verhörräume gebracht. Inspector Bremmerton hatte leider die beiden Zeuginnen nicht ausfindig machen können, da sie nicht an den beiden von ihnen angegebenen Adressen aufzufinden waren. Bei einer weiteren Überprüfung ihrer Führerscheine, die Bremmerton in weiser Vorausschau fotografiert hatte, stellte sich heraus, dass diese gefälscht waren. Was ihnen blieb, waren die Fotos ihrer Gesichter, die Bremmerton vor dem Cave’s Inn gemacht hatte.

„Dann müssen wir die Damen wohl auf die bundesweite Fahndungsliste setzen lassen“, entschied Tolis. „Machen Sie das, Inspector“.

Er wandte sich an Daniel Preston, der wie Louis E. Bremmerton Inspector war, aber mit seinen 37 Jahren noch jung genug dafür, seine Qualifikation zum Lieutenant zu schaffen.

„Wir beide werden uns nun mit diesem Herbert befassen“, sagte Tolis zu Preston und dieser schnappte sich einen Block und Kugelschreiber und lief hinter Tolis zum Vernehmungsraum hinterher, in dem Elias Herbert wartete.

„Guten Tag, Mr. Herbert“, begann Tolis. „Bitte entschuldigen Sie, dass wir Sie so lange haben warten lassen.“ Tolis wies auf Preston. „Das hier ist Inspector Preston, der alles mitschreiben wird. Ich bin Lieutenant Reginald Tolis. Können wir anfangen oder möchten Sie noch etwas zu trinken?“

Elias Herbert – dessen Führerschein sagte aus, dass er 32 Jahre alt war und in Hastings lebte – war nervös. Das konnte Tolis an seinen hin und her springenden Pupillen erkennen.

„Brauche ich einen Anwalt?“, fragte Herbert ängstlich?

„Ich glaube nicht, Mr. Herbert. Das hier ist nur ein informelles Gespräch zwischen Ihnen und mir“, erklärte Tolis in seinem beruhigend säuselnden Bariton. „Wollen Sie noch einen Kaffee oder eine Coke Zero?“

Herbert nickte. „Kaffee, aber bitte mit viel Zucker.“

Preston legte seinen Block und seinen Kugelschreiber auf die Seite und stand auf, um Herbert seinen Kaffee zu holen.Tolis saß die ganze Zeit über schweigend da und beobachtete derweil Elias Herbert. Er trug eine Jeans mit wadenlangen dunkelbraunen Stiefeln aus Büffelhaut, ein olivgrünes Hemd, tailliert, und ein schmales Lederhalsband als Krawattenersatz, das durch eine silberne Brosche mit feinen Ziselierungen und einem etwa einen halben Zoll großen Rubin zusammengehalten wurde. Der Stein war mit Sicherheit nicht echt – Modeschmuck für fünf bis zehn Dollar. Elias Herberts Hals war schmal und sehnig, wie bei einer Schildkröte. Sein Gesicht hatte etwas von einem Iroqouise, ebenso seine schwarzen Haare, die unter der Pomade glänzten. Nur seine Augen und seine Augenbrauen passten nicht so recht ins Bild und waren in der Mitte hochgezogen, was zu Falten auf seiner Stirn führte.

Preston kehrte mit dem Tablett zurück. Für Herbert Kaffee, schwarz, mit viel Zucker, für Tolis eine Coke Zero und für Preston ein Mineralwasser. Nachdem Preston sich wieder gesetzt hatte, seinen Block und seinen Kugelschreiber wieder zur Hand genommen hatte, startete Tolis die Ton- und Videoaufnahme in der Kabine.

„Informelles Gespräch mit dem Zeugen Elias Herbert“. Tolis fügte noch Datum und Uhrzeit hinzu.

„Mr. Herbert, sind Sie zu einer Zeugenaussage wegen des Mordes an Mr. Ralph Denner vor dem Cave’s Inn bereit?“

Herbert nickte stumm.

„Mr. Herbert stimmt durch Nicken zu“, kommentierte Tolis.

Tolis richtete sich ein wenig auf, veränderte seine Sitzposition und schlug sein rechtes Bein über das linke. Damit war er Herbert auf etwa eine Handbreite näher gekommen. Tolis hatte die Erfahrung gemacht, dass die körperliche Nähe zum Befragten dazu führte, dass dieser sich ein wenig unwohl fühlte und lieber gleich alles erzählte, nur um aus dieser Situation wieder herauszukommen.

„Erzählen Sie bitte, was sich zugetragen hat“, bat Preston und zückte seinen Kugelschreiber.

„Es war kurz vor zwei Uhr morgens, als Mr. Denner aus dem Club trat und mich fragte, warum sein Fahrer noch nicht da sei.“

„Er wartete also auf sein Auto“, hakte Tolis nach. „Waren die beiden Frauen da auch schon draußen?“

„Nein, die beiden Frauen kamen einen Moment später aus der Tür heraus.“

„Auf was für ein Auto wartete denn Mr. Denner?“

„Er kam am Abend zuvor, so gegen elf Uhr, mit einer weißen Lincoln Stretch-Limousine an. Ich denke, er wollte auch mit dieser zurückfahren.“

„Und die kam dann später angefahren?“

„Nein, überhaupt nicht.“

„Das heißt, sein Limo-Service hatte ihn versetzt?“, wollte Tolis wissen.

„Ja, das stimmt.“

„Dann noch einmal zurück zu den beiden Frauen. Die waren mit Mr. Denner bekannt?“

„Sie sind jedenfalls am Abend vorher mit ihm aus der Stretch-Limo gestiegen.“

„Kannten Sie die beiden Frauen? Haben Sie sie schon einmal vorher gesehen?“

„Nein, ich habe sie vorher noch nie gesehen.“

„Beschreiben Sie weiter“, bat Tolis. „Mr. Denner kommt aus dem Cave’s Inn …“

„Ja, dann fragt er mich, wo seine Limo ist. Ich antworte, dass die wohl jeden Moment kommen würde. Mr. Denner geht zum Rand des Bürgersteigs und schaut nach links, auf die Limo wartend, die jeden Moment um die Ecke kommen müsste …“

„Wo waren da die beiden Frauen?“

„Die kamen wohl gerade aus dem Club. Die eine rief ‚Ralphy, wann kommt den Dein Fahrer?‚ Sie schien zu frieren.“

„Und die andere Frau?“

„Die hielt sich wohl hinter mir auf.“

„Was geschah dann?“

„Mr. Denner drehte sich gerade zu mir herum, als man das Geräusch eines herannahenden Autos hörte. Mr. Denner dreht sich wieder nach links und blickte auf das Auto … die Scheinwerfer waren aus …“

„Was für ein Fabrikat?“

„Ich glaube es war ein Mercedes Classic. Schwarz oder dunkelblau.“

„Nummernschild?“

Herbert hob die Achseln.

„Kann ich mich nicht daran erinnern.“

„Und dann?“

„Fingen die beiden Männer, also einer vorne auf dem Beifahrersitz und der andere hinten im Fond, auf Mr. Denner zu schießen.“

„Können Sie sich an die Gesichter erinnern?“

„Nein, ich habe mich wohl gerade selbst herum gedreht, wollte zur Tür laufen, als die ersten Schüsse fielen.“

„Wie viele Schüsse?“

„Zehn … zwölf … vielleicht mehr?“

„Und Sie konnten die Insassen des Wagens nicht erkennen?“

Herbert schüttelte stumm den Kopf.

„Hautfarbe?“

„Nein, nichts.“

„Wieso sagten Sie dann gegenüber Inspector Bremmerton aus, dass es sich um Kubaner handeln würde?“

Achselzucken.

„Sie müssen noch einen Moment hier bleiben“, sagte Tolis im Aufstehen. Mit einem Wink bat er Preston ihm auf den Flur zu folgen.


Als sie das Vernehmungszimmer verlassen hatten, blieben sie auf dem Gang an der Fensterfront zum Norden stehen.

„Das ist doch Scheiße! Der hat nichts gesehen!“ Preston regte sich heftig auf.

„Ich hatte schon damit gerechnet“, erwiderte Tolis. „Da sind zu viele Variablen. Was ist mit den beiden Frauen? Gehören die zu einer Gang? Was ist mit seinem Limo-Service? Wollten die Milizionäre einen Putsch?“


Copyright

Das Copyright liegt beim Verlag heise-media.eu. Alle Rechte sind vorbehalten.
Das Kopieren und Vervielfältigen dieses Werkes ist unter Strafandrohung untersagt.
Der Autor.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert